Weil das biologische Alter eines Menschen nicht mit seinem kalendarischen Alter ident sein muss, kann auch kein bestimmter Zeitpunkt im Leben eines Menschen angegeben werden, an dem Geriatrie beginnt.
Vereinfacht würde ich sagen: Geriatrie beginnt „bei der Lesebrille“ und endet erst nachdem Angehörige seelisch verarbeitet haben, was ein verstorbener Patient zurückgelassen hat.
Sie werden jetzt fragen, warum man Geriatrie braucht wenn die Sehkraft nachlässt?
Nun es sind die ersten, indirekten Kontakte zur Geriatrie die etwa zu der Zeit beginnen, da man eine Lesebrille braucht. Jetzt wird einem bewusst, dass die gesundheitlichen Probleme der älterwerdenden Eltern einer fachlichen – nämlich geriatrischen Hilfe – bedürfen. Und zwar stellt man fest, dass einzelne Beschwerden der Eltern durch Behandlung(en) von Spezialisten (für Kardiologie, Orthopädie, HNO, Interne, Stoffwechselerkrankungen, Neurologie, Psychiatrie usw.) zwar Besserung gebracht haben, die Gesamtsituation aber unverändert geblieben ist, oder sich sogar weiter verschlechtert. Man ahnt, dass es da neben der eigentlichen Behandlung einer medizinischen Diagnose noch etwas geben muss, um Probleme besser bewältigen zu können, die durch das Altern der Eltern aufgetreten sind. Wer dieser „Ahnung“ gefolgt ist, hat also bereits seit damals geriatrische Hilfe in Anspruch genommen.
Zusätzlich bemerkt man auch an sich selbst Veränderungen, die etwa zeitgleich erstmals in dieser Lebensphase auftreten. Die Veränderungen und Sensationen können vielfältig sein, wie z. B. ungewollte Gewichtszunahme, Typ II Diabetes, Auftreten sexueller Probleme, träger werden des Geistes, man kann mit der Technik nicht mehr so Schritt halten wie früher, das Schlafbedürfnis hat sich geändert, man spürt Angst vor der nahenden Pensionierung u.v.m. All das sind Begleiterscheinungen des Alterns für deren Überwindung man besser einen Geriater konsultiert, als dass man von einem Facharzt zum nächsten pilgert um etwa krankhafte Ursache(n) dafür zu finden. Gleichermaßen kontraproduktiv wäre es aber auch, diese oder jene gesundheitliche Veränderung als „Alterserscheinung“ hinzunehmen, ohne von einem Arzt feststellen zu lassen, ob es sich hierbei vielleicht um den Beginn einer Krankheit handelt, die behandelt werden kann und behandelt werden muss, oder ob hinter den Beschwerden ein Leiden steht, das durch Behandlung zumindest gelindert werden kann.
Ebenso wie Geriatrie also nicht erst beginnt, wenn jemand schon zum Pflegefall geworden ist, sondern schon sobald sich erste Zeichen des Alterns zeigen, endet die Aufgabe des Geriaters auch nicht mit dem Tod eines Patienten. Geriater erfüllen nämlich auch für Hinterbliebene noch wichtige Funktionen.