Selbstbestimmung: Patientenverfügung und (assistierter) Suizid

Mit der Patientenverfügung bestimme ich heute, dass in Zukunft – zum gegebenen Zeitpunkt, wenn ich es nicht mehr sagen kann – andere Personen eine Maßnahme werden ablehnen oder unterlassen müssen, damit mein Leben zu Ende gehen kann. Wenn ich mich für den (assistierten) Suizid entschließe, lege ich fest, dass ich meine Tötung künftig einmal selbst werde vornehmen wollen. Die Patientenverfügung wird erst wirksam, wenn ich nicht mehr entscheidungsfähig bin. Für den (assistierten) Suizid muss ich entscheidungsfähig sein.

Die Patientenverfügung basiert zwar auf dem Grundrecht der Selbstbestimmung, aber die Durchsetzung oder Umsetzung wollen die Gesetzgeber der DACH-Länder nicht ganz so streng sehen. Keines der Patientenverfügungsgesetze in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz sieht Sanktionen vor, wenn jemand meine Patientenverfügung unterdrückt, nicht befolgt oder meinem Willen gar bewusst zuwiderhandelt.

In Österreich gibt es seit 1.1.22 das Sterbeverfügungsgesetz, das zwar auf dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen fußt, dieses aber anzweifelt, weil es dessen Umsetzbarkeit – insbesondere beim wohlbedachten Suizid – übergebührlich verkompliziert. In Deutschland ist weder die wohlbedachte, würdige Selbsttötung einfach möglich, noch ist die Beihilfe zum Suizid gesetzlich geregelt.

Wozu bedarf es gesetzlicher Regelungen?

Sowohl beim Unterlassen einer medizinisch möglichen Maßnahme wegen einer Patientenverfügung, als auch beim Ausfolgen eines Tötungsmittels für den Suizid, ist sicherzustellen, dass der Wille des Betroffen – nämlich, dass er/sie sein Leben tatsächlich beenden will – unbeeinflusst und ernsthaft ist, bzw. dass es der Wille war, als er/sie über sein Lebensende nachdachte und diesen Wunsch verbriefte. Denn, wer immer am Beenden eines Menschenlebens beteiligt ist, will sicher sein, keine strafbare Handlung zu begehen.

Deshalb ist nicht nur zu empfehlen, sondern zu fordern, dass jede/r BürgerIn derartige Entscheidungen schriftlich dokumentiert. Denn wenn jemand sein Selbstbestimmungsrecht in Form einer Patientenverfügung oder in Form des assistierten Suizids in Anspruch nehmen will, gilt: je älter die Dokumentation des Sterbewunsches ist und je öfter der Entschluss bestätigt wurde, desto authentischer, glaubwürdiger und verlässlicher ist der Wunsch.

Über das eigene Lebensende nachdenken

Fortschritte in Medizin und Technik können die letzte Phase des Lebens zu unerwünschtem, aber auch zu unerträglichem Leid(en) machen. Sowohl bei unheilbaren Krankheiten, wenn Operationen, Chemotherapien, oder Bestrahlungen den immer schwächer werdenden Körper zusätzlich belasten. Aber auch wenn Hochbetagte oder chronisch Kranke ständig bettlägerig geworden sind oder wenn jemandem bevorsteht, durch eine demenzielle Erkrankung zehn Jahre und länger zum Pflegefall zu werden.

Fast jeder kennt den einen oder anderen solchen Fall aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis. 

Anstatt nur darauf zu hoffen, dass mein Leben irgendwann einmal plötzlich zu Ende sein wird, sollte man sein Grundrecht auf Selbstbestimmung wahrnehmen und vorab bestimmen was in dieser letzten Phase des Lebens geschehen soll.

Dafür sollte man sich schon in gesunden Tagen überlegen, was einem wichtig ist bzw. welche persönlichen Werte das mögliche Handeln oder Unterlassen prägen sollen. Will ich keine Angst oder Schmerzen leiden müs­sen; will ich nicht alleine und einsam sein; will ich anderen die Gewissenslast aufbürden für mich oder über mich entscheiden zu müssen; kann (assistierter) Suizid für mich eine Option sein oder kommt das für mich z.B. aus religiösen Gründen nicht in Frage; werde ich verlangen, mich mit allen Mitteln so lange wie möglich am Leben zu erhalten oder werde ich bereit sein, mein Leben auf natürliche Art zu Ende gehen zu lassen? Zum richtigen Entschluss kann jeder nur selbst finden; und selbst dann ist zu akzeptieren und zu respektieren, wenn jemand morgen seine Meinung ändert. Keine Feststellung ist endgültig – auch nicht, wenn sie schriftlich erfolgt ist. Man kann seine Meinung jederzeit ändern und zwar ohne eine Begründung liefern zu müssen. Auch ist selbstverständlich, dass es einen Unterschied macht in welchem Alter man seine Entscheidung trifft, in welchem Gesundheitszustand man seine Meinung revidiert und dass die Biografie eines Menschen seine Entscheidung beeinflusst.