Neben konventioneller ärztlicher Behandlung hat auch Beratung ihren Platz in der Geriatrie. Bereits mit Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess kann geriatrische Beratung helfen. Ob bei der Suche nach neuen Aufgaben, oder durch stärken des Selbstwertgefühls, wenn man nun weniger „gebraucht“ wird etc. Geriatrische Beratung kann auch für rechtliche Belange (Patientenverfügung, Sachwalterschaft, Vorsorgevollmacht) nützlich sein; vor Testamentserstellung sollte der alte Mensch berücksichtigen, dass er in weiterer Folge noch beachtliche finanzielle Mittel für die eigene Versorgung als Pflegefall benötigen kann. Geriatrische Beratung hilft beim Verarbeiten des eigenen Alterns; begleitet schmerzhafte Veränderungen (Stütz- und Bewegungsapparat) nicht nur mit Schmerzmitteln; gibt seelischen Beistand bei Sterben und Tod geliebter Menschen. Und nicht zuletzt wird in Gesprächen erklärt was medizinisch möglich wäre, was nötig ist und zugleich wird beachtet was (für Familie und für Pflegende) zumutbar ist. Von Geriatern wird man nicht hören „dann müssen Sie sich für ihre Eltern eben Zeit nehmen“. Geriater schützen Angehörige von Pflegefällen vor quälenden Selbstvorwürfen, anstatt ihnen ein schlechtes Gewissen zu verursachen.
Der Getriater berät, betreut und behandelt den geriatrischen Patient aber auch dessen Angehörige gleichermaßen. Deshalb können sich dieselben Beschreibungen über geriatrisches Wirken sowohl im Bereich ‚Patient’ wie auch im Bereich ‚Angehörige’ finden. Trotzdem ist es nicht immer richtig, wenn Angehörige glauben einfach auf sich umlegen zu können, was der Doktor zum Patient gesagt hat. Dabei wird vom Laien übersehen, dass geriatrische Ursachen beim Patient andere Probleme auslösen können als beim Angehörigen. Dementsprechend geht der Geriater individuell auf die Probleme ein. Die geriatrischen Bereiche ‚Patient’ und ‚Angehörige’ überschneiden einander, beeinflussen sich gegenseitig, aber jeder braucht seinen eigenen (weil oft auch anderen) Zugang.
Fragen und Forderungen an die Medizin verlangen zurecht nach ärztlichen Antworten und Erklärungen. Dennoch muss man manche gesundheitliche Änderung so hinnehmen, wie sie kommt. Während Patienten oft zu hören bekommen „was wollen Sie denn, Sie sind ja schon alt“, lernt der Patient beim Geriater wie mit menschlichen Problemen des Alter(n)s umzugehen ist. Das beginnt bei der Akzeptanz von Unveränderlichem und setzt sich darin fort, keine unrealistische Hoffnung in die „Allmacht der Medizin“ zu setzen. Beides fällt unter geriatrische Beratung und ist oft wirksamer als (noch mehr) Tabletten zu schlucken.
Nicht selten finden alte Menschen Ruhe, sind weniger „lästig“ und laufen nicht mehr von einem Arzt zum anderen, werden man ihnen ungeschönt aber aufrichtig erklärt, dass gewisse Veränderungen im Laufe des Lebens entstanden sind und von niemandem mehr rückgängig gemacht werden können. In derartigen Fällen hat sich auch gezeigt, dass Patienten oft weniger Schmerzmittel brauchen.
Auch wenn bei jemandem nach der Pensionierung das Gefühl aufkommt, von niemandem mehr gebraucht zu werden, können einige beratende Gespräche wohl mehr helfen und weniger schaden als Antidepressiva zu schlucken. Aber solche Gespräche verlangen nach Erfahrung und kosten unvergleichlich mehr Zeit als aufzuwenden ist, um ein Rezept auszustellen.
Der Geriater weist mit seiner Beratung auch den richtigen Weg durch die vielfältig gewordene Medizin. Ohne Fachärzte beurteilen, ersetzen oder gar jemanden kontrollieren zu wollen, koordiniert und erläutert der Geriater die Vorschläge anderer Ärzte. Auch das ist Beratung und nicht ärztliche Behandlung.
Tipp: Konsultieren Sie also Geriater schon vor Ihrer Pensionierung und lassen Sie sich solange helfen, bis Sie auch seelisch großteils verarbeitet haben, was der Verstorbene Ihrer Elterngeneration bei Ihnen zurückgelassen hat.