Das Patientenverfügungsgesetz

Welche Patientenverfügung kann jahrelange Pflegebedürftigkeit im Alter abkürzen?

Traditionelle Patientenverfügungen beschäftigen sich meist mit dem relativ rasch nahenden Lebens­ende von unheilbar Kranken bzw. Verunfallten, nicht aber mit der lange dauernden, letzten Lebensphase der immer größer werdenden Zahl von Hochbetagten und Demenzkranken.

Hieße die Patientenverfügung „Behandlungswunsch am Lebensende“ wäre bald erkennbar, was Bürger mit einer Patientenverfügung tatsächlich regeln möchten.

Die negativen Urteile über traditionelle Patientenverfügungen von „als konzeptionell und empirisch gescheitert“[1] bis nur 4 % Verbreitungsgrad[2] beziehen sich nicht auf die drei Patientenverfügungs­gesetze der D-A-CH Region (§ 1901a ff. BGB; § 2 ff. PatVG; ZGB Art. 370 ff), sondern auf die Tauglichkeit von daraus abgeleiteten (untersuchten) Dokumenten.

Eben genannte Gesetze wollen das Selbstbestimmungsrecht von Personen wahren, auch wenn sie ihren Willen nicht mehr kundtun können. Damit ergeben sich für den Verfüger – direkt oder indirekt – folgende (in den Studien nicht untersuchte) Vorteile:

Zuerst gilt es, einen klaren und gefestigten Willen zum Thema Lebensende zu haben. Weil dieses Thema aber komplex ist und Fehlentscheidungen nicht mehr rückgängig zu machen sind, soll

  1. die Patientenverfügung als Gesprächsleitlinie dienen, zwischen dem Verfüger und seinen Bezugspersonen u/o seinem Vertrauensarzt; u. zw. schon lange bevor die in der Verfügung beschriebene Entscheidung vom Patient selbst, oder gar durch einen Dritten zu treffen ist.

Im Austausch mit anderen soll der Verfüger, zu seiner persönlichen Meinung finden und diese festigen. Wer sich als Verfüger schon früher, frei von Angst, Stress und Hektik mit dem Thema beschäftigt hat, wird später – wenn die Situation eintreten sollte – als mündiger Patient die richtige(n) Entscheidung(en) treffen (z.B. dass er nicht künstlich ernährt werden möchte). Ein pflegebedürftiger Hochbetagter muss ja nicht unbedingt (z.B. wegen Demenz) einsichtsunfähig sein, wenn über das Setzen einer PEG-Sonde zu entscheiden sein wird. Um aber die Entscheidung für oder gegen eine PEG-Sonde nicht erst ad hoc zu treffen, ist es notwendig, dass man sich schon viel früher mit dieser Frage beschäftigt hat.

Bei der traditionellen Patientenverfügung bleibt die willensbildende und willensstärkende Komponente unbedeutend, weil ihr mit der einmaligen Errichtung eines Dokuments nicht entsprochen werden kann. Die traditionelle Patientenverfügung kann in einem einzigen Dokument weder alle, später für den Patient in Frage kommenden, medizinisch-pflegerischen Maßnahmen beinhalten noch kann sie seine dann bestehende Lebenssituation wiedergeben.

  1. Der Verfüger soll sich sicher sein können, dass sein gut durchdachter Wille auch dann umgesetzt werden wird, wenn er sich selbst nicht mehr wird mitteilen können (z.B. wegen Demenz).

Auch hier versagt die traditionelle Patientenverfügung. Zumeist werden ja mit Patientenverfügungen Behandlungen und Maßnahmen abgelehnt, was dem medizinischen und/oder pflegerischen Sachver­stand widerspricht. Es wäre notwendig den von Berufswegen eigentlich zum Handeln verpflichteten „Unterlasser“ der Maßnahme, vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Aber auch dieser Vorgabe kann mit der einmaligen Errichtung eines Dokuments nicht entsprochen werden. Eines Dokuments, das sowohl die Lebenssituation einschließlich des medizinischen Zustandes des Patienten als auch die abgelehnte Maßnahme enthalten muss. Beide Voraussetzungen können zum Zeitpunkt des Erstellens der traditionellen Patientenverfügung weder der Verfüger selbst, noch der Urkunden­errichter kennen oder beschreiben. Schon aus Gründen von defensive medicine werden Ärzte dann rechtliche Möglichkeiten (er)finden, um der traditionellen Patientenverfügung nicht entsprechen zu müssen und nicht gegen ihre Berufung handeln zu müssen.

  1. seine Angehörigen von einer lebenslangen Gewissensplage befreien.

Eine in der traditionellen Patientenverfügung auch kaum beachtete Komponente ist die Tatsache, dass der Verfüger durch das Dokument seine Angehörigen von der lebenslangen Gewissensplage befreien kann, ob sie für ihn richtig entschieden haben. Dies wird möglich, wenn die in Punkt 1. und Punkt 2. beschriebenen Absichten des Gesetzes erfüllt sind. Anderenfalls werden Familienmitglieder durch paternalistisches Verhalten von Angehörigen der medizinischen Dienste erst recht in einen Gewissenskonflikt gedrängt.

  1. Verfüger vor Missbrauch schützen

Die Gesetze wollen durch unterschiedliche Vorschriften Missbrauch weitgehend ausschließen. Insbe­sondere, dass auf den Verfüger (wenn auch nur „sanfter“) Zwang ausgeübt wird, aber auch Fälschung einer Verfügung, um jemandem eine erfolgversprechende Behandlung vorzuenthalten.

Dass jemand seine subjektive Meinung zu einer bestimmten Maßnahme (situationsbedingt) auch ändern kann, haben Gesetzgeber mit der Möglichkeit des Widerrufs einer Verfügung und mit der (in Österreich geltenden) Wirksamkeitsbegrenzung berücksichtigt.

Diese vier für den Verfüger wichtigen Punkte bilden die Grundlage, auf welcher Lösungen im Sinne der Gesetze entwickelt werden – jenseits der traditionellen Patientenverfügung. Vorsorgedialog, An­weisung an Vorsorgebevollmächtigte oder advanced care planning (ACP) sind solche Entwicklungen. Sie sollten für aber auch kostengünstig, unbürokratisch und einfach umsetzbar sein.

Auch PFLEGEFALLTOOL ist eine solche Entwicklung auf Basis der D-A-CH Patientenverfügungsge­setze. Es bietet schon frühzeitig Hilfestellung für das Heranreifen des Verfügerwillens und es erfüllt die gesetzlichen Bedingungen für eine Patientenverfügung. Mit dem Online-Tool lernt der Anwender seinen Willen zu einer bestimmten Maßnahme abzuklären, indem er sein persönliches Gefühl mit dem professionell berechneten Ergebnis vergleicht. Die kostengünstige, unbürokratische und jederzeit mögliche Anwendung des Tools erlaubt es, den Entscheidungsfindungsprozess zu dokumentieren und im Bedarfsfall zu verfolgen. Unterschiedliche und vielfältige Abfragethemen zu verschiedenen Zeiten, chronologisch belegbar, bieten besten Schutz vor Missbrauch.

Berechnungen von PFLEGEFALLTOOL, die ja auch selbst die Kriterien der Patientenverfügungsgesetze erfüllen, können traditionelle Patientenverfügungen ergänzen. Und schließlich können Abfrageergeb­nisse mit Angehörigen, Vorsorgebevollmächtigten, Pflegepersonen oder auch mit Ärzten besprochen werden.

Je früher und je öfter personalisierte Berechnungen mit PFLEGEFALLTOOL gemacht und dokumentiert werden, desto sicherer ist deren Authentizität, desto besser geben sie Aufschluss wenn dennoch der mutmaßliche Patientenwille zu bestimmen sein wird und desto stärker prägen sie auch den Willen eines mündigen Patienten.

 

[1] in der Schmitten et alt., Deutsches Ärzteblatt | Jhg 111 | Heft 4 | 24.1.2014

[2] www.bmg.gv.at

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